Kurzes „Zeitfenster“ zur Vermeidung anschaffungsnahen Aufwands

Zum BMF-Schreiben vom 18. Juli 2003

Mit Schreiben vom 18. Juli 2003 (BStBl I, 386) hat das Bundesfinanzministerium (BMF) die geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Abgrenzung von Erhaltungs- und Herstellungsaufwendungen bei Immobilien aufgegriffen und seine bisherige Auffassung zum anschaffungsnahen Aufwand aufgegeben. Damit können jetzt alle alten Fälle bearbeitet werden.

Im Einzelfall bietet das Schreiben jedoch kaum Erleichterung, weil es keine Konkretisierung dazu enthält, wann eine Verbesserung wesentlich ist und insbesondere wann die Schwelle zum sehr anspruchsvollen Standard überschritten wird. Vermutlich wird die Anweisung sogar zu neuen Streitigkeiten führen, weil sie in der zentralen Rz. 10 die Rechtsprechung des BFH zulasten der Steuerpflichtigen falsch wiedergibt.

Historie und Pläne

Die Finanzverwaltung hatte in R 157 Abs. 4 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) danach unterschieden, ob Baumaßnahmen in den ersten drei Jahren nach Anschaffung der Immobilie oder erst später durchgeführt werden. Wurden die Maßnahmen innerhalb der ersten drei Jahre nach der Anschaffung durchgeführt und betrugen die Kosten insgesamt mehr als 15% des Gebäudewertanteils des Kaufpreises, hat die Verwaltung in vollem Umfang nachträgliche Herstellungskosten angenommen. Eine Aufteilung sollte nicht zulässig sein. Bei Modernisierung nach Ablauf der drei Jahre wurde grundsätzlich Erhaltungsaufwand angenommen.

Mit zwei Urteilen vom 12. September 2001 (IX R 52/00 und IX IR 39/97) hat der Bundesfinanzhof vor knapp zwei Jahren entschieden, dass die Verwaltungspraxis der Behandlung von anschaffungsnahem Aufwand rechtswidrig ist: Für die Frage, ob die Kosten als Erhaltungsaufwand sofort abzuziehen sind, dürfe die zeitliche Nähe zur Anschaffung und die Höhe der Kosten keine Rolle spielen. Maßgeblich sei gemäß § 255 Abs. 2 HGB allein, ob durch die Modernisierung eine wesentliche Verbesserung (oder eine Erweiterung) erreicht werde. Auch in diesen Fällen seien aber nur die Kosten derjenigen Baumaßnahmen zu aktivieren, die zu der wesentlichen Verbesserung geführt hätten. Alle übrigen Modernisierungskosten könnten als Werbungskosten sofort abgezogen werden.

Die Regierung wollte sodann die frühere Verwaltungspraxis zum anschaffungsnahen Aufwand im Rahmen des Steuervergünstigungsabbaugesetzes (StVergAbG) durch eine gesetzliche Regelung wieder einführen. Sie sollte sogar rückwirkend für alle alten Jahre gelten, soweit die betreffenden Veranlagungen noch offen waren. Bekanntlich ist dieses Vorhaben jedoch am Widerstand im Bundesrat gescheitert.

Das BMF-Schreiben vom 18. Juli 2003 hat jetzt endlich die Rechtsprechung des BFH übernommen und versucht, diese für die Verwaltungspraxis umzusetzen. Seine Veröffentlichung hat sich u. a. deshalb verzögert, weil abgewartet werden sollte, ob der Gesetzgeber die alte Verwaltungspraxis rückwirkend in Kraft setzen würde. Das Schreiben löst die bisherige Verwaltungsanweisung zur Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen vom 16. Dezember 1996 ab. Auf Antrag des Steuerpflichtigen sind aus Gründen des Vertrauensschutzes noch die alten Anweisungen anzuwenden, wenn er mit der Modernisierung vor der Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 18. Juli 2003 und der betreffenden BFH-Urteile im Bundessteuerblatt (am 5. August 2003) begonnen hat (Rz. 39). In diesen „Altfällen“ hat der Steuerpflichtige also noch ein Wahlrecht, nach welcher Verwaltungsanweisung er behandelt werden möchte. Hier gilt es zu klären, in welchen Fällen welche Anweisung am günstigsten ist.

Allerdings wird die Rechtslage, wie sie sich aus dem BMF-Schreiben vom 18. Juli 2003 ergibt, wahrscheinlich nicht lange gelten. Der Gesetzgeber will nämlich mit dem Steueränderungsgesetz 2003 (StÄndG 2003) noch einmal versuchen, die alte Praxis der Finanzämter durch eine entsprechende Gesetzesänderung wieder einzuführen. Abweichend vom Handelsrecht soll im EStG geregelt werden, dass sämtliche Modernisierungsaufwendungen zu aktivieren sind, wenn die Summe der in den ersten drei Jahren aufgewendeten Baukosten die Grenze von 15 % des Gebäudewertanteils der Anschaffungskosten übersteigt. Erst für Modernisierungsmaßnahmen, die nach Ablauf der drei Jahre durchgeführt werden, soll die Abgrenzung zwischen Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen nach § 255 Abs. 2 HGB und damit nach der Rechtsprechung des BFH und dem BMF-Schreiben vom 18. Juli 2003 erfolgen. Anders als die seinerzeit mit dem StVergAbG geplante Gesetzesänderung soll die Regelung des StÄndG 2003 aber nicht rückwirkend angewendet werden, sondern erst auf solche Modernisierungen, die nach dem 31. Dezember 2003 begonnen werden. Ob die beabsichtigte Gesetzesänderung diesmal den Bundesrat passieren wird, bleibt abzuwarten.

Zu beachten ist aber, dass die geplante gesetzliche Regelung mit der bisherigen Verwaltungspraxis wie sie sich aus R 157 Abs. 4 EStR ergab, nicht identisch ist und ihr gegenüber sogar bestimmte Vorteile hat: Zum einen ist die Drei-Jahres-Frist nunmehr eine genaue und verlässliche Grenze, während die Finanzverwaltung die betreffende Frist in den EStR nur als ungefähren Anhaltspunkt angewendet hat. Außerdem bleiben Baumaßnahmen, die zu einer Erweiterung führen, bei der Berechnung der 15 %-Grenze unberücksichtigt. Zusammengerechnet werden außerdem nur die Nettokosten - ohne Umsatzsteuer. Wie bisher bleiben Kosten für laufend anfallende Instandhaltungsarbeiten außer Ansatz.

Sollte die geplante Gesetzesänderung Wirklichkeit werden, hätte das Schreiben für Modernisierungsmaßnahmen, die nach dem 31. Dezember 2003 begonnen und in den ersten drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden, keine Bedeutung. Es behielte seine Bedeutung aber für alle alten Fälle und für Modernisierungen, die nach Ablauf der drei Jahre durchgeführt werden. Sollte das Gesetz im Bundesrat scheitern, wäre das Schreiben für sämtliche Baumaßnahmen anzuwenden.

Kernpunkte des BMF-Schreibens vom 18. Juli 2003

Auch das neue BMF-Schreiben enthält eine Nichtaufgriffsgrenze: Ob die Baumaßnahmen zu einer wesentlichen Verbesserung geführt haben, soll nicht geprüft werden, wenn die Kosten der in den ersten drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführten Instandsetzungen und Modernisierungen 15 % der Anschaffungskosten für das Gebäude nicht übersteigen (Tz. 38).

Es gibt zwei Ausnahmen von der Nichtaufgriffsgrenze:

Unabhängig von der 15 %-Grenze ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Baumaßnahme zu einer Erweiterung geführt hat. Solche Aufwendungen stellen unabhängig von ihrer Höhe Herstellungskosten dar.

Wird ein Gebäude in seiner Substanz vermehrt, ohne dass dadurch die Nutzfläche vergrößert wird, so führt dies nur dann zu Herstellungskosten, wenn der geschaffene Gebäudebestandteil eine neue, zusätzliche Funktion erfüllt (z. B. Einbau eines Fahrstuhls oder einer Klimaanlage). Dementsprechend führt der Einbau von zusätzlichen Trennwänden zu Herstellungsaufwand, während das Versetzen von Wänden eine Erhaltungsmaßnahme ist.

Zentrales Thema des BMF-Schreibens ist die „wesentliche Verbesserung“. Nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sind Modernisierungskosten als nachträgliche Herstellungskosten zu behandeln, wenn sie zu einer wesentlichen Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Zustand führen.

Eine wesentliche Verbesserung tritt erst dann ein, wenn die Wohnung einen - deutlich - höheren Wohnstandard erhält. Eine Erhöhung des Wohnstandards darf, so der BFH, vermutet werden, wenn an drei der für den Wohnstandard maßgeblichen Einrichtungen eine deutliche (wesentliche) Verbesserung erreicht worden ist. Bestimmend sind folgende vier „Einrichtungen“: Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallation sowie die Fenster. Es ist also abzugrenzen, wann die Erhöhung des Gebrauchswertes in den einzelnen Bereichen ausreichend deutlich und wesentlich ist.

In dem BMF-Schreiben fehlt der Hinweis darauf, dass es sich hierbei nur um eine Vermutung handelt, die der Steuerpflichtige widerlegen kann. Nach dem Wortlaut der Rz. 10 soll offenbar jede Erhöhung des Gebrauchswertes in drei der vier maßgeblichen Bereiche zwangsläufig dazu führen, dass sich der Standard hebt.

Auch bei einer einheitlich durchgeführten Modernisierung sind die einzelnen Baumaßnahmen getrennt zu beurteilen. Auch wenn die Modernisierung zu einer wesentlichen Verbesserung der Wohnung geführt hat, sind nur die Baukosten derjenigen Maßnahmen zu aktivieren, die die Standarderhöhung verursacht haben (Rz. 33). Auch bei einer Erhöhung des Wohnstandards sind nur die Kosten für Baumaßnahmen in den maßgeblichen vier Bereichen (zentrale Ausstattungsmerkmale) zu aktivieren und auch nur die Kosten in dem Bereich, in dem eine deutliche Verbesserung des Gebrauchswertes erreicht worden ist. Alle anderen Modernisierungskosten dürfen dagegen als Erhaltungsaufwendungen sofort abgezogen werden.

Eine Trennung und Aufteilung ist nur dann nicht zulässig, wenn die Baumaßnahmen in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Dies ist der Fall, wenn sie bautechnisch ineinander greifen, d. h. wenn die Erhaltungsmaßnahmen durch die Herstellungsmaßnahmen verursacht worden sind oder wenn sie Bedingung für die Durchführung der Herstellungsmaßnahme waren.

In zeitlicher Hinsicht ist die Beurteilung, ob durch die Modernisierung eine wesentliche Verbesserung erreicht worden ist, nicht auf einen Veranlagungszeitraum beschränkt. Auch wenn die Baumaßnahmen eines Veranlagungszeitraums für sich genommen nicht zu einer wesentlichen Verbesserung führen, können sie als nachträgliche Herstellung zu beurteilen sein, wenn sie Teil einer Gesamtmaßnahme sind, die sich planmäßig in zeitlichem Zusammenhang über mehrere Jahre erstreckt und insgesamt zu einer wesentlichen Verbesserung führt (Rz. 31). Von einer Sanierung in Raten will die Finanzverwaltung grundsätzlich ausgehen, wenn die Maßnahmen, die zu einer wesentlichen Verbesserung führen, innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren durchgeführt werden.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine solche Gesamtschau aber nur dann zulässig, wenn die einzelnen Baumaßnahmen auf einem Gesamtplan beruhen. Dementsprechend handelt es sich bei der Regelung über den Fünf-Jahres-Zeitraum nach Rz. 31 auch nur um eine Vermutung. Der Steuerpflichtige hat deshalb - theoretisch - die Möglichkeit, im Einzelfall nachzuweisen, dass die Baumaßnahmen nicht auf einem Gesamtplan beruhen.

Kosten für die Modernisierung eines Gebäudes können auch Anschaffungskosten darstellen. Gemäß § 255 Abs. 1 HGB gehören zu den Anschaffungskosten auch Aufwendungen, die erforderlich sind, um es betriebsbereit zu machen. Ist ein Gebäude beim Erwerb objektiv funktionsuntüchtig, weil für den Gebrauch wesentliche Teile nicht nutzbar sind, ist es nicht betriebsbereit. Die Kosten zur Beseitigung dieser Mängel und Herstellung der Betriebsbereitschaft sind in diesem Fall Anschaffungskosten (Rz. 6). Allerdings schließen Mängel, die durch Verschleiß verursacht sind und durch laufende Reparaturen beseitigt werden, die Funktionstüchtigkeit nicht aus. Die Kosten für derartige Reparaturen sind deshalb als Werbungskosten abzugsfähig.

Ein Gebäude ist subjektiv funktionsuntüchtig, wenn es für die konkrete Zweckbestimmung des Erwerbers nicht nutzbar ist. Baumaßnahmen, um das Gebäude entsprechend dieser Zweckbestimmung nutzen zu können, führen deshalb zu Anschaffungskosten (Rz. 8, z. B. Umbau Wohnung in Büro).

Fazit:

Baumaßnahmen sind - abhängig vom Zeitpunkt ihres Beginns - nach unterschiedlichen Rechtskriterien zu beurteilen:

Für Baumaßnahmen, die nach dem 31. Dezember 2003 begonnen werden, wird voraussichtlich die neue Regelung durch das StÄndG 2003 gelten, nach der grundsätzlich die gesamten Baukosten zu aktivieren sind, wenn die Kosten der in den ersten drei Jahren durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen 15 % des Gebäudewertanteils der Anschaffungskosten übersteigen. Erst die Kosten der nach drei Jahren durchgeführten Maßnahmen werden nach dem BMF-Schreiben vom 18. Juli 2003 und der BFH-Rechtsprechung beurteilt.

Tipp:

Es empfiehlt sich, bei Gebäuden, die innerhalb der letzten drei Jahre erworben wurden, mit beabsichtigten Modernisierungen noch im Jahre 2003 zu beginnen.

Für Modernisierungen, die nach dem 4. August 2003 und vor dem 1. Januar 2004 begonnen werden, gilt uneingeschränkt das BMF-Schreiben vom 18. Juli 2003 bzw. die Rechtsprechung des BFH. In diesen Fällen spielt die zeitliche Nähe zur Anschaffung und die Höhe der aufgewendeten Kosten keine Rolle.

Ist mit den Baumaßnahmen vor dem 5. August 2003 begonnen worden, so ist die neue Rechtsprechung des BFH anzuwenden sowie das BMF-Schreiben vom 18. Juli 2003. Gemäß Rz. 39 kann der Investor jedoch einen Antrag stellen, dass für seinen Fall noch die alten Verwaltungsanweisungen angewendet werden. Soweit dies für ihn günstiger ist, hat er aus Gründen des Vertrauensschutzes einen Anspruch darauf. Das BMF-Schreiben vom 16. Dezember 1996 kann in den Fällen günstiger sein, in denen es um die Beurteilung von Baumaßnahmen geht, die erst nach Ablauf des Drei-Jahres-Zeitraums durchgeführt worden sind, wenn die Aktivierung der Ausgaben nicht gewünscht ist.

Die geänderte Rechtsauffassung des BFH und der Finanzverwaltung wird regelmäßig kein Grund für eine Änderung von bereits bestandskräftig gewordenen Steuerbescheiden sein. Es ist jedoch ratsam und in offenen Fällen auch notwendig, mit dem Steuerberater abzuklären, wie auf die geänderte Rechtslage und auf die Pläne des Gesetzgebers reagiert werden sollte.

 

 

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