Kindergeld: Wichtiges Urteil für Eltern volljähriger Kinder mit eigenen Einkünften

Eltern haben keinen Anspruch auf Kindergeld für volljährige Kinder, wenn deren eigene Einkünfte und Bezüge mehr als 7.188 Euro im Jahr betragen.

Das Niedersächsische Finanzgericht (Aktenzeichen 7 K 723/98 Ki) hat am 16. April 2003 entschieden, dass bei der Berechnung des Grenzbetrags entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch der existenzsichernde Grund- und Mehraufwand der Kinder - wie zum Beispiel Sozialversicherungsbeiträge - mit einzubeziehen ist. Im Ergebnis hätten demnach mehr Eltern Kindergeldansprüche.

Hintergrund: Der Bundesfinanzhof (Aktenzeichen VI R 153/99) hat in seinem Urteil vom 21. Juli 2000 entschieden, dass der Begriff Einkünfte nicht als Einkommen (Gesamtbetrag der Einkünfte vermindert um die Sonderausgaben und die außergewöhnlichen Belastungen) zu verstehen ist. Eine Verfassungsbeschwerde hiergegen ist vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden. Eine weitere ist unter dem Aktenzeichen 2 BvR 167/02 noch anhängig. Das Niedersächsische Finanzgericht ist jetzt von der BFH-Rechtsprechung erneut abgewichen und erweitert damit den Kreis der kindergeldberechtigten Eltern.

Die gesetzliche Beschreibung der Jahresgrenze ist nach Auffassung der Finanzrichter zugunsten der betroffenen Eltern so zu verstehen, dass Einkünfte (und Bezüge), die z.B. durch Sozialversicherungsbeiträge und außergewöhnliche Belastungen gebunden sind, aus der Berechnung ausscheiden. Entsprechend sind nur ungebundene Einkünfte (und Bezüge), die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, zu berücksichtigen.

Mit anderen Worten: Nicht nur der erwerbssichernde Aufwand (Werbungskosten, Betriebsausgaben), sondern auch der existenzsichernde Grund- und Mehraufwand (Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen), der insoweit Einkünfte (und Bezüge) zu gebundenen macht, ist bei der Grenzbetragsberechnung zu berücksichtigen. Danach beinhaltet § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG im Ergebnis keine bloße Einkunfts-, sondern strukturell eine die wirkliche finanzielle Leistungsfähigkeit abbildende Einkommensgrenze. Nur so stellt der kindergeld- und kinderfreibetragsschädliche Grenzbetrag eine den allgemeinen einkommenssteuerrechtlichen Sachgesetzlichkeiten entsprechende nachvollziehbare typisierte Bedürfnisgrenze dar. Dieses Rechtsanwendungsergebnis entspricht den verfassungsrechtlichen Geboten der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit, der Folgerichtigkeit und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung, die vom Bundesverfassungsgericht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) entwickelt worden sind, sowie dem Grundsatz der Praktikabilität.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Niedersächsische Finanzgericht hat wegen Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen. Das nächste Wort hat wieder der Bundesfinanzhof. Ob sich die BFH-Richter diesmal umstimmen lassen, bleibt abzuwarten. Manche Experten bewerten es positiv, dass inzwischen ein anderer Senat zuständig ist. Der inzwischen zuständige 8. Senat des Bundesfinanzhofs wird über die verfassungskonforme Berechnung des Jahresgrenzbetrages im Kindergeld- und Kinderfreibetragsrecht zu entscheiden haben. Zwar hat der 8. Senat des Bundesfinanzhofs in seinem Urteil vom 16. April 2002 VIII R 76/01 (BStBl. II 2002, 525, 526) die Entscheidung des 6. Senats vom 21. Juli 2000 VI R 153/99 herangezogen, jedoch ohne erkennbare erneute Überprüfung der zum Teil neuen Argumente aus der Fachliteratur.

Tipp:

Wurde Kindergeld wegen Überschreiten des Grenzbetrags abgelehnt, lohnt sich in jedem Fall ein Einspruch, verbunden mit einem Antrag auf Ruhen des Verfahrens.

 

 

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